Ausstellungstext

Der politische Bruch Titos mit Stalin, 1948, eröffnete Personen mit jugoslawischen Pass die Welt, verschaffte (nahezu zensurfreien) Zugang zu Büchern, wenn auch inländische Veröffentlichungen reglementiert blieben. Doch bei allem jugoslawisch–russischen Zwist schwebte die Stimmung des (sogenannten) ,sozialistischem Realismus` weiterhin im Raum. Und als Ende der 1950er der Staat Jugoslawien unter internationalen Zugzwang, aufgrund mangelnder Erinnerungsarbeit bzgl. des Zweiten Weltkrieges, geriet, fiel dem Architekten, Essayisten und Urbanisten Bogdan Bogdanovic, einem Spross der Metaphysik und der surrealistisch geprägten Stadt Belgrad – Bretons Manifest, 1924, folgte im selben Jahr das Belgradäquivalent ,Nemoguce` (,Impossible`) – eine zentrale Rolle zu.

Jasenovac, der letzte verbleibende Ort Europas, an dem in den 1940er kontinuierliche Greueltaten stattfanden – sie begannen nach dem Handschlag Hitlers mit dem Ustascha–Anführer Pavelić– und an dem jene in keiner Form erinnert wurden. Die eigenen Ideen Bogdanovićs fanden Zuspruch beim Staatsoberhaupt, war es auch ein Nagel–Modell–Entwurf, der den Handwerker Tito verzückte – „kolossal… Nägel anstelle des Waldes!“(Bogdanović, 1997) – oder dennoch die tiefgründigere Tatsache, dass die Vorschläge anderer Architekten tief–vernebelte Nationalismen in sich trugen, wodurch sie – durch den internationalen Zugzwang – auf diesen Querdenker Bogdan Bogdanović angewiesen waren: eine nachhaltige Koinzidenz.

Die über Jahrzehnte entstandene Erinnerungskultur bzgl. des Zweiten Weltkrieges in Jugoslawien ist eigentümlich, (gar) faszinierend: der Architekt errichtete an Orten der Greueltaten, Orte der Begegnungen, Begegnungen von Leben und Tod. Bogdanović „schuf die markantesten Gedenkstätten Europas: eindrucksvoll und versöhnend, in die Landschaft eingeschrieben und übernational“ (Archleitner), auf ganz andere Weise wie es an Orten von Konzentrations- und Tötungslagern üblich ist. Er errichtete von 1951-1981 achtzehn Erinnerungsräume in allen Teilen Jugoslawiens (außer im Gebiet des heutigen Sloweniens).

Ich selbst machte Bekanntschaft mit seinen Bauwerken, als ich, unwissend über die Person Bogdanović, vor einem dieser stand. Ich begann mich mit ihm zu beschäftigen, schloss Lücken, wobei sich mein Bild verdichtete. 2013 besuchte ich bei jedem meiner Belgradaufenthalte sein erstes Bauwerk aus dem Jahre 1950/51. Aus dieser magnetischen Anziehung heraus entstand die Idee im Zeitraum 2013/14 drei Reisen zu tätigen um seine Bauwerke aufzusuchen. Die Wege führten mich nach Bosnien und Herzegowina (Mostar), Kosovo (Mitrovica), Kroatien (Jasenovac und Vukovar), Mazedonien (Štip und Prilep), Montenegro (Berane) und Serbien (Bela Crkva, Belgrad, Čačak, Leskovac, Popina, Sremska Mitrovica und Vlasotince).

Keine Gesamtschau anstrebend – jene liegt vor von Achleitner (2013) –, zeigen die Bilder teils Totalaufnahmen, teils Details. Beeindruckt von seiner (fast schon gewaltigen) Formensprache und der Offenheit der Lesarten seiner Bauwerke verbrachte ich meist Stunden vor Ort, Architektur, Landschaft und die darin schreitenden Menschen und Tiere auf mich einwirken lassend. Dies stets beeinflusst von den differierenden Jahres-, Tages-/Nacht- und Wettererscheinungen, die die Impressionen teils noch verstärkten.